Ab heute bin ich nicht mehr Kunde der Arbeitsagentur, sondern Mitarbeiter der S.L.V. GmbH. Ich kehre damit nach meiner unfreiwilligen Auszeit wieder ins Arbeitsleben zurück. Es ist ein Speditionsbetrieb in Lünen, mit dem ich schon viele Jahre zusammengearbeitet habe und nun dort auf neue Kollegen treffe, diefür mich gar nicht mehr so neu sind, denn sie waren in den letzten 22 Jahren bereits meine Wegbegleiter in der Speditions- und Abfallbranche. Ihre alten Arbeitgeber haben sich inzwischen auch umbenannt oder aufgelöst, sie bringen ihre jahrelange Erfahrung ins Unternehmen ein und ich freue mich darauf, mit Ihnen arbeiten zu dürfen. Ich hätte nie gedacht, dass wir eines Tages unter dem Dach eines Unternehmens zusammenarbeiten würden. Nun hatte ich seit meiner Vertragsunterzeichnung einen Monat Zeit mir mal keinen Kopf um Arbeitsamt, um Bewerbungen und Vermittlungvorschläge zu machen. Es ist eine Erleichterung endlich wieder einen Job zu haben und trotz meiner Ungeduld und Zweifel ging es dann doch recht schnell. Montag, 24.03. kam der Vermittlungsvorschlag, Donnerstag 27.03. war das Vorstellungsgespräch und am selben Tag auch gleich die Vertragsunterzeichnung. Nun hatte ich auch wieder Planungssicherheit, die uns in den letzten Wochen ein wenig abhanden gekommen ist. Also kann man wieder Eintrittskarten buchen, was ich sogleich auch getan habe. Ein Tag vor meinem vierundvierzigsten Wiegenfest gingen wir in den Mondpalast. Das neue Stück auf dem Programm: Othello, der Schwatte aus Datteln. Das war wirklich gut und da wir Wiederholungstäter sind, steht am 31. Mai Wilhelmstrasse für uns auf dem Spielplan.

Ich denke, mit dem Wechsel nach Lünen habe ich alles richtig gemacht und wenn es vernünftig läuft, dann ist das auch keine Zwischenlösung mehr, sondern eine langfristige Angelegenheit und kein Schleuderstuhl wie vorher in Dortmund. Die meisten meiner neuen Kollegen sind schon eine ganze Weile im Team, Disponenten scheiden dort meistens selber aus freien Stücken aus, gehen in Rente oder versterben leider. Wichtig für mich ist auch, dass endlich die Arbeit am Samstag aufhört. Keine Waage mehr zu bedienen, keine unnützen Öffnungen für ein paar Leute die ihren Müll entsorgen wollen, nur weil sie unter der Woche keine Zeit dafür haben. Meistens war nach so einer Samstagsschicht das Wochenende kaputt gewesen. Hier ist man wieder von der Samstagsarbeit abgekommen. Auch die Arbeitszeiten sind human. Nicht morgens um fünf, sechs Uhr beginnen, sondern um acht Uhr. Auch das kommt mir sehr entgegen, bin ich doch jemand, der Abends nur schlecht in die Federn kommt und morgens noch schlechter raus. Nun ja, das Thema Arbeitslosigkeit ist abgeharkt. Starten wir neu durch, back to the roots als Schüttgutdisponent, dass was ich insgesamt 18 Jahre lang bei der TVE und Hegewald sein durfte. Nicht mehr hin und her geschoben werden, um Lücken zu schließen, sondern einen festen Aufgabenbereich zu haben. Und der Vorteil ist, die Leute mit denen ich arbeiten darf, sind für mich keine Wundertüten mehr, auf die man sich besonders einstellen muss. Man kennt sich, man schätzt sich.

Als Arbeitsloser ist man so etwas wie ein Bittsteller. So kam ich mir jedenfalls vor, als ich damals beim Arbeitsamt mich erst arbeitssuchend und anschließend wegen Vermittlungsgespräche anstellen musste. Aber am Ende war ich nur dreimal vor Ort. Melden, Arbeitslosengeld beantragen, Vermittlungsgespräch. Ansonsten haben Sie mich in Ruhe gelassen. Ich habe einmal im Monat meine Vermittlungsvorschlag bekommen, auf den ich mich brav beworben habe. Insgesamt sind 30 Bewerbungen rausgegangen, davon gab es nur 13 Absagen, was bedeutet, dass 17 Arbeitgeber es nicht für nötig halten, sich zu melden. Sei es auf Onlinebewerbungen oder auf dem Postweg mit Bewerbungsmappe. Ein schlechter Stil, aber davon berichten schon die einschlägigen Portale. Viele Arbeitgeber wollen gar keine Mappen mehr, sondern bestehen auf Bewerbung in Portalen oder per Mail. Aber auch da verlangt der Anstand, dem Bewerber mitzuteilen, ob er nun genommen oder ungeeignet ist. Ich bin auch jeden Morgen zum Briefkasten gelaufen, in der Erwartung dort einen Bescheid zu erhalten. Nun ist das Thema durch, ich hoffe für eine sehr lange Zeit.

Lünen ist zwar gerade nicht um die Ecke, aber für das Arbeitsamt zumutbar. Okay, sie versüßen mir in den nächsten sechs Monate den Weg zur Arbeit mit einem Anteil an den Spritkosten. Das war von vornherein die Bedingung, denn als gebranntes Kind scheut man natürlich das Feuer. Damals, als ich nach Waldbreitbach ging, fehlte diese finanzielle Spritze und das habe ich gleich bei meinem ersten Gespräch kundgetan. Die Sachbearbeiterin erklärte mir, ich müsse dann einen Antrag stellen und würde bis zu sechs Monaten Geld bekommen. Das habe ich direkt nach der Vertragsunterzeichnung getan und siehe da, es funktioniert wirklich.

Es bleibt allerdings weiterhin auch ein fader Beigeschmack. Geht es dir gut, hast du Arbeit, hast du auch Freunde. Aber sobald es dir mies geht, schauen dich deine sogenannten Freunde nicht mehr mit dem Arsch an. Erst da merkst du, auf wen du zählen kannst und wer es nie ehrlich gemeint hat. Eine wichtige Erkenntnis für mein weiteres Leben. Übrigens mein ehemaligen Kollege Olaf und Roald sind solche Freunde, die sich wirklich einen Kopf gemacht haben und mir beistanden. Am Ende warne sie genauso erleichtert, wie ich als, es mit dem neuen Job geklappt hat. Danke dafür Jungs!

Ja, auch mein Vermieter stand mir bei und gab mir Tipps und hatte sogar Vordrucke für Mietbeihilfe parat. Aber das brauchte ich Gott sei Dank alles nicht. Meine Rücklagen reichten für die Auszeit aus, denn auf meine Kreditversicherung brauchte ich nicht zu hoffen. Ist schon ein Hammer, dass man diese Versicherungen mit abschließt, gegen Tod, Arbeitslosigkeit und Berufsunfähigkeit, aber dann entpuppen sie sich als unnötige Last. Sie sind wie ein Regenschirm, der man bei Sonnenschein mitschleppt, aber kaum fängt es an zu regnen, versage sie ihren Dienst.

Ich habe in der Zeit meiner Arbeitslosigkeit auch begriffen, warum das Fernsehen so Endlosserien ins Nachmittagsprogramm packt. Wenn man keinen Job hat und sich nicht zu beschäftigen weiß, dann kann so ein Tag verflucht lang werden. Aber ehrlich gesagt, ich hatte nie Langeweile, ich weiß immer mich zu beschäftigen. Allerdings die Serien habe ich natürlich bei meiner Mutter mit geschaut. Die hat auch keine Langeweile, denn wir wissen ja, Rentner haben nie Zeit, aber sie hat sich diese Zeit genommen. Ein wenig Spaß muss doch auch sein.

Ich habe mich auch in der Zeit meiner Arbeitslosigkeit nicht vor meiner Verantwortung gedrükt und die Projekte, die ich mit einer monatlichen Spende unterstütze weiterhin mit den üblichen Beträgen bedacht. Ein Versprechen habe ich zu dem gegenüber meinem niederländischen Freund und Eishockeyfreak Roald – er lebt für den Herner EV – eingelöst: Wenn ich wieder einen Job habe, spende ich 100 € für den neuen Verdichter in der Gysenberghalle, damit auch in Zukunft dort die Kinder Eislaufen können und der Verein weiterhin dort seine Spielstätte findet. Gesagt – getan.

Lebensfreude soll auch die Kirmes als Kulturgut vermitteln. Nur die Bochumer Osterkirmes ruft höchstens Frust hervor. Was ist nur aus dieser Veranstaltung geworden? Früher war der Kirmesplatz an der Castroper Strasse stets gut gefüllt, heute sind manche Dorffeste besser beschickt, als diese Kirmes. Dabei ist es auch das einzige Mal, dass eine Großkirmes zentral in Bochum stattfindet. Früher gab es noch die Ferienkirmes, die Herbstkirmes – alles abgeschafft. Kein Wunder das die Schausteller sich beklagen, dass ein Volksfeststerben eingesetzt hat. In Kirchhellen verschwand die Herbstkirmes, in Bottrop ist die einst so stolze große Kirmes durch den Umbau des Berliner Platzes und den Wegfall von Flächen auch arg geschrumpft. Mit dem gleichen Problem kämpft nun auch Oberhausen. Es konzentriert sich alles auf die großen Veranstaltungen in Hamburg, Oberhausen, Bremen, Recklinghausen, Soest, Stuttgart, München, Dortmund, Crange, Oldenburg. Der Rest verliert an Bedeutung und wird auch so stiefmütterlich von den Schaustellern behandelt. Großartige Attraktionen kriegen die kleinen Messen nur dann zu Gesicht, wenn keine vergleichbare Konkurrenz zu dieser Zeit stattfindet. Das ist schade, aber leider nicht zu ändern. Nach dem Zirkussterben erwischt es nun die Schausteller. Das ist der Lauf der Zeit.

Ich habe während meiner Auszeit natürlich auch Verwandtenbesuche gemacht, weil man dazu sonst keine Zeit hatte. War mal wieder schön, allerdings ist es schon erschreckend zu sehen, wie lange man nicht vor Ort gewesen ist. Kinder, die damals noch klein waren, sind nun entweder eingeschult oder bereits auf dem Weg zur weiterführenden Schule, stehen gar vorm Abschluss. Meine Mutter meinte, man müsste das öfters machen, denn man weiß nicht, wie oft man noch dazu die Gelegenheit bekommt. Stimmt, Ihre Schwester ist schon über siebzig, meine Mutter wird 64. Das ist heute kein Alter, aber wenn man die Zeitung mit den Todesanzeigen aufblättert, merkt man, dass die Einschläge immer näher kommen. Also wollen wir im Sommer noch einmal nach Breidenbach fahren. Geht ja jetzt, ich habe Planungssicherheit, denn ich brauche Samstags nicht mehr in die Firma.

Eine weitere Sache ist nach bald drei Jahren nun auch vorbei – der Kautionsstreit mit meinem ehemaligen Vermieter. Das Landgericht Koblenz hat die Berufung nicht zugelassen, weil der von der Gegenseite vorgelegte Mietvertrag Abweichungen zu meinem hatte – es fehlte meine Unterschrift. Daraufhin wurde der Gegenseite nahegelegt, die Berufung zurückzuziehen und das Urteil vom Amtsgericht Linz anzuerkennen. Das hat die Gegenseite mit Ablauf der Frist auch zähneknirschend gemacht und zwar mit der Begründung, es läge ein Fehler vom Vorbesitzer des Hauses vor. Tja, wollte man mich austricksen und ist selber reingefallen. Schadenfreude ist doch noch immer die schönste und ehrlichste Art, seine Zufriedenheit auszudrücken.

Mit dem heutigen Tag starten auch die Kindertriathleten wieder in Ihre Saison, unter ihnen auch Leon, der Sohn von meinem österreichischen Kumpel. Ich drücke ihm natürlich die Daumen, dass er diese Saison verletzungsfrei übersteht. Noch ein Kreuzbandriss muss nicht sein.

Ach ja Schadenfreude – da hat es die Bayern auch erwischt. Schalke schoss gegen Real wenigstens noch zwei Tore, aber Bayern versagte vor dem Kasten der Spanier gänzlich. Vielleicht haben sie alle einen Knacks bekommen, weil ihr großer Meister Hoeneß in den Knast wechselt. Erst verlieren sie in Augsburg, mühen sich gegen Hoffenheim zum Remis, lassen sich von Dortmund vorführen und erleben ihr Debakel gegen Real. Okay, sie haben bewiesen, dass sie doch Menschen und keine Roboter sind. Schön zu sehen, wie sie plötzlich doch verlieren können. Das macht ein wenig Hoffnung auf die neue Saison.

Zum Abschluss noch ein Blick zurück und in die Zukunft. Bei meinem Arbeitgeber im Westerwald stehen die Zeichen für viele Mitarbeiter auf Abschied. Zwei Kollegen werden in Zukunft in Stuttgart arbeiten, mein Nachfolger in der Dispo konnte leider nicht nach Baden-Württemberg wechseln, denn er hat in Bad Hönningen Eigenheim und ist ortsgebunden. Aus diesem Grund ist er leider auch entlassen worden. Es fehlt ihm die Flexibilität, denn ein Häuschen kann man nicht mal soeben in den Kofferraum packen und an einem neuen Wohnort wieder aufstellen. Das ist der Nachteil gegenüber den Kollegen. Allerdings bin ich mir sicher, dass er aufgrund sein langjährigen Erfahrung schnell wieder was finden wird. Auch im Westerwald werden Disponenten benötigt! Die beiden Büromitarbeiterinnen für die Buchhaltung und Sekretariat sind ebenfalls entlassen worden. Zurück bleibt mein ehemaliger Chef und meine treuer Fahrer Thomas, der weiterhin unter der Flagge seines alten Dienstherren fahren darf und das nun auch schon seit bald neun Jahren.

Ich wünsche auf diesem Weg den Leuten, die gehen mussten, viel Kraft und Glück, bei der Suche nach einem neuen Job und den beiden Kollegen – Wolle und Aggi, dass Sie schnell Fuß in der neuen Region fassen. Sie erleben nun den Kulturschock, den ich damals bekommen habe, als ich aus der Großstadt aufs Land wechselte. Für sie wird es sicherlich genauso sein. Raus aus dem beschaulichen Flammersfeld und Waldbreitbach, rein in die hektische, laute Großstadt Ludwigsburg. Dann werdet auch ihr endlich verstehen, von was ich immer gesprochen habe. Viel Glück euch allen und einen guten Start!

In diesem Sinne wünsche ich allen mein treuen Besuchern eine gute Zeit, bleiben oder werden Sie gesund.