Es ist Neujahrsnacht, gerade nach dem Datumwechsel. Ringsherum wird gefeiert und geböllert, es klingt manchmal so, als befänden wir uns im Krieg. Dieses Jahr scheint es die Nachbarschaft besonders gut zu meinen, nur vor unser Haustür passiert nichts. Dafür hört man immer wieder, wenn der Holzstiel einer abgefeuerten Rakete über unsere Dachziegel hinunter auf unseren Balkon fällt. Es ist also Neujahrsnacht, ich sitze einsam vor meinem Computer, meine Mutter liegt in Ihrem Pflegebett, der Fernseher ist auch schon aus und von draußen hört man noch neben dem Krach der Böller auch die Stimmen, von so manchen angeheiterten Nachbarn oder einer seiner Gäste. Egal, mir ist nicht nach Feiern zumute und als ich so allein am Fenster stand und dem bunten Treiben in der Siedlung von
der Ferne beiwohnte, merkte ich, wie ich traurig wurde und sich so die eine
oder andere Träne aus meinem Auge sich den Weg über die Wangen bahnte. Jetzt ist der beste Augenblick um Bilanz zu ziehen. Ein Schlußstrich unter 2018 zu setzen und all das aufarbeiten, was in den letzten 52 teilweise turbulenten Wochen geschehen ist.
Aber bevor ich einen Blick zurückwerfe, schaue ich nach vorne. Am 9. Januar 2019 wird meine Homepage zehn Jahre alt. Was aus einer Laune heraus geboren wurde, hat in den letzten Jahren über 120.000 Besucher erreicht. Im ersten Jahr war man noch zufrieden, dass man über tausend Gäste zählen durfte, inzwischen sind wir mit Abschluss des letzten Jahres wieder bei rund 16200 angekommen. Das beste Jahr war 2014 mit über 33000 Besucher, die letzten Jahre ging die Anzahl der Gäste aber kontinuierlich zurück, weil ich einfach nichts neues geboten und
viel zu wenig Werbung für meine Homepage gemacht habe. Es ist wie bei Youtube, um so mehr Follower man verzeichnen kann, um so höher sind die Werbeeinnahmen.
2017 war dann mit 13158 ein neuer Tiefpunkt, mit dem kleinen Aufschwung muss ich zufrieden sein, aber letztendlich ist es nicht das, was ich mir vorstelle.
Aber wie gesagt, 2009 ging diese Seite an den Start und das sie zehn Jahre später immer noch bestand und Follower hat, finde ich schon außergewöhnlich. Eigentlich wollte ich über meine Seite mal Bücher verkaufen, doch wie ist das mit den Träumen: Sie platzen manchmal wie die Seifenblasen im Wind. Schreiben, dass mache ich noch immer, aber mehr als Albi, halbherzig und irgendwie ohne Biss, dabei ist mein Kopf voll mit Ideen für Gedichte, Stories und vieles mehr. Nur die Zeit, ja die Zeit ist das, was mir fehlt.
Wenn ich auf das vergangene Jahr zurückblicke, dann sind da gleiche mehrere Punkte, die 2018 zu einem verkorksten Jahr machen. Angefangen von Tod meines Vaters am 31.01.2018, gefolgt von dem Verkehrsunfall in der Nacht zum ersten Mai, mit dem verlorenen Prozess gegen meinen alten Arbeitgeber bis hin zum schlimmsten was in dem Jahr passieren musste, den Schlaganfall meiner Mutter am 9. September.
Am 18.12.2018 starb ein alter Schulfreund im Alter von nur 49 Jahre. Er war in meiner Schulklasse, wir waren von der fünften bis zur neunten Banknachbarn, wir hatten den gleichen Schulweg und viele Flausen im Kopf. Todesursache war ein Herzinfarkt, sein fünfter, wie man erzählte. Wie gesagt, alles nur Hörensagen.
Er hinterlässt Frau und zwei Söhne. Im Herbst auf dem Michaelismarkt sind wir uns noch kurz begegnet, ich erzähle von meiner Mutter, er sprach von seinen Plänen. Mit den Wohnwagen wieder ans Meer, das Leben genießen und es ruhig angehen lassen. Eine höhere Macht hatte was dagegen. Zum Abschluss des Jahres dann noch die Übernahme von Remondis. In der Wirtschaft ist es wie in der Natur, der Große frisst den Kleinen, nur an uns hätten sie sich beinahe verschluckt. Während Karstadt ohne Probleme Kaufhof integrieren konnte, brauchte bei uns das Kartellamt fast sechs Monate, um seine Zustimmung zu geben. In dieser Zeit lief alles weiter, auch wenn die Mannschaft zu der Zeit schon gespalten war. Ein Teil pro Remondis, der andere Contra. Trotzdem wunderte es mich, dass in dieser Phase der Ungewissheit das Team wie ein Schweizer Uhrwerk funktionierte. Ein Teil griff ins andere und die Arbeit wurde
gemacht. Auch mit Hindernissen, aber trotzdem lief es irgendwie.
Laufen kann meine Mutter auch wieder ein bisschen, aber nur in der Wohnung, denn da kennt sie sich aus. Treppensteigen nur mit Schwierigkeiten, selbstständig Leben, dass ist vorbei, dass wird auch nicht wiederkommen. War der Schlaganfall 2015 noch ein Streifschuss, so muss man einsehen, dass dieser zweite Schlag ein Volltreffer war. Der rechte Arm, ihre Schreibhand ist nur noch eingeschränkt zu gebrauchen, Sprachzentrum ist mit am stärksten betroffen und ich habe das
Gefühl, dass viel mehr kaputt gegangen ist, als wie man es wahr haben wollte.
Seit dem 25 Oktober lebt sie wieder in ihren eigenen vier Wänden und seit
diesem Zeitpunkt habe ich mein Leben schleichend ihren Bedürfnissen angepasst und damit eigentlich aufgegeben. Zu dem kommen nun noch Depressionen hinzu, sie weint oft und zumeist grundlos. Sie fühlt sich wie eine Gefangene, eine Prinzessin, die im Turm eingesperrt ist. Was anderes ist ihre Dachgeschosswohnung auch nicht. Ein Turm mit einem unüberwindbaren Hindernis, auch Treppe genannt. Am letzten Freitag von 2018 bekam ich endlich das Scalamobil, der Antrag für diese Treppensteighilfe habe ich noch vor ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus gestellt. Aber erst wurde dieser Antrag abgelehnt, doch dann habe ich Wiederspruch eingelegt und schon ging es. Man muss alle Dinge, alle Entscheidungen der Pflegekasse, genau betrachten, denn sie versuchen es immer wieder, Geld auf Kosten der schwächsten in dieser Gesellschaft einzusparen. Offiziell bin ich nun auch gesetzlicher Betreuer für meine Mutter, was die Sache gegenüber Ärzten, Behörden und der Krankenkasse um einiges einfacher macht. Als sie am 25. Oktober aus dem Krankenhaus entlassen wurde, fehlte ihre Krankenkassenkarte. Die brauchte ich jedoch, um neue Medikamente verschreiben zu lassen. Das Rehakrankenhaus in Wattenscheid –Marien Hospital – verwies mich an den Juppschuppen – St. Josef Krankenhaus – in das meine Mutter mit Blaulicht am 9. September eingewiesen worden ist. Der Notarzt hatte von mir die Gesundheitskarte erhalten und diese in der Notaufnahme hinterlegt. Fakt war, dort landete sie irgendwo unter den anderen 200 herrenlosen Gesundheitskarten und ward seit dem nicht mehr gesehen. Über zwanzig Minuten habe ich mit der Barmer herumdiskutiert, bis ich den Mitarbeiter schließlich soweit hatte, mir eine Ersatzkarte auszustellen. Er hatte einfach keinen Bock mehr darauf, mit mir weiter zu diskutieren. In der Zeit von ihrer Einlieferung, bis zu ihrer Entlassung war ich täglich im Krankenhaus, habe mit Ärzten und Schwestern herumdiskutiert, war über jeden Erfolg dankbar.
Meine Mutter am Boden zerstört, denn nach dem sie die Intensivstation verlassen hatte, machte man ihr klar, dass sie in ein Pflegeheim müsse. Anfangs war ich erst einmal kopflos, hatte schon Makler hier, um Geld flüssig zu machen, für ein Altenheim. Aber dann wuchs in mir der Entschluss, die Mama kommt nach Hause
in ihre eigenen vier Wände und als ich hier von meinen Plänen erzählte, kehrte der alte Kampfgeist in ihren Körper zurück. Sie hat viel erreicht in den letzten Wochen und Monaten und vielleicht kann man das eine oder andere wieder herstellen, aber einige Dinge werden immer verloren sein. Sie kann nachts nicht mehr alleine sein, sie braucht jemanden, der sie ins Bett bringt, der Abends für sie da ist. Tagsüber wurschtelt sie sich so langsam herum, aber Essen für sich zubereiten oder irgendetwas im Haushalt machen, geht nur unter Anleitung und dann, wenn man helfend ihre Hand unterstützt. Es kostet viel Kraft und Nerven, aber es ist die Mutter und die gibt man nicht so einfach in ein Pflegeheim. Früher hat sie deine Hand gehalten, heute ist es umgekehrt. Leider haben das viele nicht begriffen, auch in meinem Umfeld oder in unserer Eigentümergemeinschaft nicht. Hier wird immer noch viel schmutzige Wäsche gewaschen, allen voran der Miteigentümer unter uns, der sich gerne als Blockwart aufspielt und sicherlich in der DDR damals einen hervorragenden Agenten der Firma Lausch und Horch abgegeben hätte. Andere in diesem Haus haben keine Meinung, wollen aber mitreden und merken gar nicht, dass sie sich mit ihren Aussagen lächerlich machen. Der allgemeine Tenor ist aber, verkauft und zieht in eine altengerechte Wohnung. Würde ich gerne, lieber heute als morgen, aber es gibt keinen bezahlbaren Wohnraum. Rente und Gehalt würden jetzt schon
dafür reichen, aber was ist, wenn der Zeitpunkt kommt, wo ich plötzlich alleine bin. Da kann ich mir keine hohen Mietkosten leisten. Aber wie es momentan läuft, geht es auch nicht. Ich bezahle für eine Wohnung, die ich nicht nutze. Über kurz oder lang muss hier eine Entscheidung gefällt werden. Plan eins, persönliche Dinge einlagern, Möbel und all die unnötige Dinge auf den Müll.
Plan zwei, eine neue Wohnung für uns beide suchen und dann beide Umzüge mit einmal stemmen. Aber da will meine Mutter noch nicht so richtig ran. Dazu kommt noch der Ärger mit dem Pflegedienst. Das Marienkrankenhaus hat sich bemüht uns einen Pflegedienst zu besorgen, was sich allerdings äußerst schwierig gestaltete. Die meisten Sozialstationen haben einen Aufnahmestopp, dann gab es nur noch den
Pflegedienst Kornharpen, die uns aufgenommen haben. Leider sind wir als neue Kunden ziemlich weit nach hinten gerutscht, mein Mutter wird vormittags zwischen zehn und elf angefahren, abends dann zwischen halb sieben und halb neun. Wir können nicht planen und inzwischen habe ich mich entschieden, Abends die Mama selber für die Nacht fertig zu machen und zwar dann, wann sie es will und nicht dann, wenn wir in der Runde sind. Sonntags sparen wir uns die Sozialstation auch, denn im Gegensatz zu Werktags stehen sie genau dann, wenn man ausschlafen kann, morgens zwischen halb acht und acht auf der Matte. Da ist Mama danach den ganzen Tag nicht zu gebrauchen, schläft viel und ist unausgeglichen.
Zu allem Überfluss wollte der Pflegedienst von mir rückwirkend für Oktober, November jeweils 500 € haben, weil das Krankenhaus zwei Anfahrten pro Tag gebucht hat. Noch heute warte ich auf ein Angebot von Seiten der Sozialstation und ich muss ehrlich sagen, meine Mutter wird gut versorgt, aber als Angehöriger fühle ich mich sehr schlecht betreut. Viele Fragen sind offen, Angebote werden angekündigt aber nicht offeriert. Das ist schade und manchmal habe ich auch den Eindruck, dass meine Mama nicht so ganz zufrieden mit so mancher Pflegekraft ist. Sie ist scheinbar immer froh, wenn keiner kommt.
Wir haben nun den Pflegegrad drei, was uns finanziell etwas absichert und mehr Möglichkeiten bei der Betreuung der Mama ermöglicht. Aber wie bereits erwähnt, unser Pflegedienst hält sich bei Angeboten ziemlich bedeckt.
Ein weiterer Aufreger in diesem Jahr war mein Verkehrsunfall am ersten Mai. Ein Taxifahrer hat mich überholt, gebremst und gewendet ohne auf mich zu achten und so kam es zum Unfall. Erst als ich meinen Anwalt einschaltete kam Bewegung in die Angelegenheit und zum Ende des Jahres erkannte die gegnerische Seite an, dass ihr Versicherungsnehmer Schuld an dem Unfall gewesen ist. Dazwischen ein Hick-Hack zwischen den Versicherungen und ich mittendrin. Die Polizei am Unfallort überfordert gab mir eine Teilschuld, weil wir die Dashcam, die in meinem Fahrzeug installiert ist, nicht vor Ort ausgewertet werden konnte. Der Taxifahrer, der in meiner Gegenwart noch seine Schuld eingestand, ruderte zurück, nachdem seine türkischen Taxikollegen auf ihn eingeredet hatten. Mein
Versicherung – die Bavaria Direkt – tat nicht viel für mich als Versicherungsnehmer, erst als ich einen Anwalt einschaltete, bewegte sich
etwas. Mein Fahrzeug war bis August nicht mehr nutzbar und erst als mein Anwalt Druck ausübte, kam Bewegung in die Angelegenheit. Sollte ich eine
Versicherungen empfehlen, die Bavaria wäre es sicherlich nicht.
Ein Arbeitsvertrag mit einer Ausschlußklausel kostete mir 3000 €. Mit dem Zusatz, mit dem Gehalt sind alle Nebenkosten abgegolten, hat sich mein ehemaliger Arbeitgeber vor der Rückzahlung meines Bußgeldes abgesichert. Immerhin, 500 € als Vergleich konnten wir noch herausholen.
Ansonsten war 2018 ein schlechtes Jahr, dass mit dem Tod von meinem Schulkameraden vor Weihnachten noch einen traurigen Höhepunkt fand und mich zum überlegen brachte. Was nutzt Dir dein Job, dein Gehalt, wenn es zu Lasten deiner Freizeit, deiner Gesundheit geht. Was nutzt dir dein Eigentum, deine Familie, wenn du meinst sie gut versorgt, aber allein zurückgelassen hast. Diese Ereignisse des letzten Jahres haben dazu geführt, dass ich sehr nachdenklich geworden bin. Was ist aus meinen Träumen geworden? Meine Ziele? Da hatte ich mal gedacht, ich bin endlich
irgendwo angekommen, da wird das Unternehmen verkauft. Gleich mit Wechsel der Geschäftsführung gab es Veränderungen. Klingelt doch morgens mein Telefon und man fragt nach, wieso die Waage nicht besetzt sei. Warum? Wir hatten doch zwischen den Jahren Öffnungszeiten von 8 bis 16.00 Uhr mein Gegenargument. Bekomme ich darauf die lapidare Antwort: Öffnungszeiten sind keine Arbeitszeiten…
Aber genau das steht in meinem Arbeitsvertrag. An diesem Tag traf ich die Entscheidung, mich schweren Herzens umzuorientieren…
Auf einige Punkte möchte ich zu einem späteren Zeitpunkt in einem separaten Blog eingehen…
Viel Glück für 2019!