Meine Mama nach ihrem spontanen Friseur Termin. Die ersten Schritte zurück ins Leben. Bisher hatte Sie immer Angst vor einem Besuch, scheute die Blicke der anderen Menschen, doch wenn man kurz vor Ladenschluss mutig ist und die Friseurin ein Herz zeigt, dann kann man auch mal über seinen Schatten springen und sich die Haare außerhalb seiner vier Wände schneiden lassen. Das schöne ist, sie ist sogar an meiner Hand bis zum Ladenlokal gelaufen und das waren bestimmt fünfzig Meter. Laufen kann sie nur, wenn sie die Möglichkeit hat, sich irgendwo festzuhalten. Deswegen war ich auch stolz, als sie auf den Rollstuhl, der im Fond des Fahrzeuges unserer ständigen Begleiter ist, verzichten wollte. An der Hand über die Maischützenstrasse, etwas unsicher, aber trotzdem zielstrebig.

Sie ist durch diese Aktion sogar wieder bereit für den Mondpalast von Wanne Eickel. Wir werden das so regeln, dass wir erst kurz vor Beginn am Theater sind, denn dann haben die Leute weniger Zeit zu gaffen. Das ein Schlaganfall nicht nur im Inneren was zerstört, sondern auch ein Aussehen verändern kann, haben viele Menschen nicht begriffen. Der Mundwinkel schief, sie kann nicht mehr sprechen und manche Dinge sind auch wie bei einem kleinen Kind, aber das ist mir egal und wer einen dummen Spruch los lässt, sollte sich an diesem Tag ein dickes Fell zulegen, denn ich bin schnell im Kampfmodus. Nur liebes Mondpalastensemble, auf ihre Standing Ovation werdet ihr aus den bekannten Gründen verzichten müssen. Das Klatschen mit einer Hand wird auch nicht funktionieren, aber trotzdem ist es mal was anderes, wieder zwei Stunden herzhaft Lachen zu dürfen und nicht an sein Handicap denken zu müssen. Klatschen und Standing Ovation gibt es dann von mir in doppelter Ausführung, aber das ist am Ende auch völlig egal, denn die Hauptsache ist, Mama kommt endlich raus aus ihrem Schneckenhaus. Ein paar Schritte an meiner Hand geht sie mit, für den Rest gibt es technische Hilfsmittel. Dies ist auch ein kleiner Seitenhieb an die Reha, die meine Mutter schon abgeschrieben und zu einem Altenheimbewohner machen wollte. Sie hat den Kampf angenommen und solange ich noch kriechen kann, wird sie in kein Altersheim abgeschoben. Scheiß was auf Job und Karriere, wichtig ist mir eine glückliche Mutter in ihren eigenen vier Wänden. Deswegen ließt sich meine Vita inzwischen wie die eines Fussballspielers, der regelmäßig vor Ablauf seines Vertrages den Verein verlässt. Leider haben meine alten Arbeitgeber nicht geschnallt, was es bedeutet, morgens vor der Arbeit und manchmal auch in der Nacht für eine pflegebedürftige Person da zu sein, Betten neu zu beziehen, ihr aufhelfen, wenn sie in der Nacht gefallen ist und morgens das Frühstück zu machen. Ihr habt es nicht verstanden, wenn man bis nachts über Unterlagen sitzt, weil man als Vormund Rechenschaft ablegen muss, weil man nicht nur für sich, sondern auch für eine andere Person verantwortlich ist und dabei selber noch an vielen Fronten kämpfen muss. Arzttermine müssen eingehalten werden, Tabletten gestellt und verabreicht werden. Wenn ich dann mal auf Arbeit für einen Moment eine Auszeit brauche, die Augen schließen muss, ist das gleich für die Gewerkschaft eine willkommende Gelegenheit alles in Frage zu stellen. Wenn man selber mal nicht mehr kann, dann ist das für manche Arbeitgeber ein Grund, direkt beim Krankenschein eine Kündigung auszusprechen. Aber ehrlich, wer nicht mit meiner besonderen Situation zurecht kommt und ich trotz allem zehn und mehr Stunden in der Firma bin, der hat es nicht verstanden. Auf der einen Seite bin ich ich, aber auf der anderen Seite habe ich jemanden daheim, der ab sechs Uhr Abends weinend am Fenster steht und auf meine Rückkehr wartet, sich Sorgen macht und denkt, es wäre was passiert, nur weil man wieder für einen reichen Chef länger bleiben muss.

Ich brauche kein Mitleid, aber Verständnis wäre nicht schlecht, auch wenn ich diesen Weg ganz bewusst gewählt habe. Meine Mama wäre nicht soweit, hätte sie nicht die Möglichkeit bekommen, wenn sie nicht nach Hause hätte zurückkommen können. Aber ich habe mein Leben zurückgestellt, um ihr eine Heimkehr zu ermöglichen und deswegen freue ich mich auch über selben Erfolg, auch wenn wir beide schon viele Tränen vergossen haben.

Auch wenn es bisher nicht einfach war, aber einfach kann jeder, wird sie mit mir gemeinsam den Weg zurück ins Leben finden. Sie ist zwar nicht Gaby Köster, aber trotzdem eine Kämpferin und meine persönliche Heldin. Chapeu Mutti für deine Leistung…. Und stehen wir erst am Anfang eines langen Weges, ein paar Schwierigkeiten haben wir schon gemeinsam gemeistert.♥️ Vor das was noch kommt, sind wir auch nicht mehr Bange. 🤔