Seit dem 25.10.2018 ist meine Mutter nun wieder in ihren vier Wänden und ich bin als Untermieter in ihr Schlafzimmer gezogen. Am Anfang war alles etwas chaotisch, denn das Pflegebett, Toilettenstuhl und Beistelltisch kamen kaum ein halbe Stunde vor meiner Mutter. Die Fa. Luttermann war gerade gefahren, da stand auch schon der Krankentransportdienst mit meiner Mutter vor der Tür – allerdings erst einmal vor der falschen. Sie wollten sie im Haus gegenüber abgeben, da meine Mutter sich aber auch nicht äußern konnte, ließ sie es sich gefallen. Vorsichtshalber bin ich den beiden Leuten schon einmal entgegen gegangen, um meine Heimkehrerin in Empfang zu nehmen.
Am Anfang war meine Mutter überhaupt nicht begeistert von ihrem Pflegebett. Unter Tränen haben wir dann das Bett so ausgerichtet, wie sie es für richtig hielt. Wir wollen mal nicht vergessen, meine Mutter hatte zwar einen Schlaganfall, aber trotzdem hat sie noch ihren eigenen Kopf, gegen den es anzukommen manchmal sehr schwer sein kann.
Wir hatten in den letzten Tagen oft Krisen. Mal gab es Tränen, weil die Windeln zu Ende gingen und sie nicht wusste, dass ich im Schlafzimmer noch ein Paket gebunkert hatte, dann gab es Tränen, weil sie nicht gleich ihren Willen bekommen hat. Sie bestimmt und ich muss springen. Ihr Druckmittel: Tränen. Es gibt für mich nichts schlimmeres, als Muttertränen. Das bricht mir fast das Herz und ich räume ein, mich meinem Schicksal und mitzuheulen.
Bei uns in der Eigentümergemeinschaft wurde die Rückkehr meiner Mutter nicht gerne gesehen. Nicht nur das wir jeden Tag Windeln haben, sondern auch der Pflegedienst parkte am Anfang vor unserer Garage, was natürlich für Aufregung unter den Nachbarn sorgte. Aber manchmal geht es halt nicht anders, denn wenn unsere Straße zugeparkt ist, wohin sollen sie dann? Mein Mutter braucht ihre Versorgung, aber das kapieren so einige nicht. Wenn es nach dem Willen meiner Nachbarn gehen würde, dann sollte sie in ein Pflegeheim, denn da würde es ihr besser gehen.
Ich bezweifele das. Ich tue alles, damit es meiner Mutter an nichts fehlt. Windel wechsel, Frühstück, Mittag, Abendessen. Ich kümmere mich um ihre Medikation, schlage mich mit Behörden, Krankenkassen und Pflegedienst herum. Jeder zieht und zerrt an mir und will irgendetwas. Dann kommt mein Job dazu. Damit ich beruhigt Arbeiten fahren kann, haben wir einen Hausnotrufsystem. Meine Mutter fürchtete sich allerdings davor, egal wie oft ich ihr sage, dass sie dies nicht braucht. Sie versteht es nicht mehr, leider. Anstatt ins Theater zu gehen, sitze ich nun über Lektüren für Pflegeleistungen, warte auf den neuen Termin mit den MDK, damit meine Mutter ihre endgültige Pflegestufe zugeteilt bekommt und ich sie auch mal in die Tagespflege schicken kann.
Sonntags stelle ich mich jetzt hin und koche. Ich kann das, aber meine Mutter ist keine große Esserin mehr. Da sie durch ihren Schlaganfall auch nicht mehr alles kauen kann, muss ich bei der Ausfall der Speisen besonders darauf achten, dass sie sie auch ohne großen Kauaufwand schlucken kann. Also gab es bisher immer Kartoffelpüree mit Spinat oder Gemüse und Ei dazu. Dann haben wir festgestellt, Dönerfleisch geht auch sehr gut, Pizza hat auch geklappt. Nun versuche ich es heuer mal mit Fleisch. Ich taste mich langsam an die Normalität heran, obwohl so etwas wie Normalität wird es nicht mehr geben.
Meine Mutter hat täglich Probleme mit ihrem Bauch. Die PEG, ihre Magensonde, macht ihr Sorgen und verursacht die Schmerzen. Eigentlich sollte die PEG vor ihrer Entlassung herausgenommen werden, aber da ich vom Amtsgericht noch nicht zum Vormund bestimmt worden bin, haben die Ärzte nicht auf mich gehört und die Magensonde drin gelassen. Unversorgt! Allein schon die Tatsache kotzt mich an, dass sie gegen den Rat des Bereitschaftsarztes die PEG eingesetzt haben und diese nun wirklich nur zur Ergänzung der Nahrungszunahme gedacht ist, denn meine Mutter kann ja Brei und Suppen essen, war sie auch ein Alibi für das Pflegepersonal, meine Mutter im Krankenhaus nicht füttern zu müssen. Denn dafür hat man ja keine Zeit…
Also der Mangel an Pflegepersonal und nicht der medizinische Hintergrund sind der Grund dafür, dass man Menschen Magensonden einsetzt, weil die über ein Tropf versorgt werden und man sich dann weiter nicht um sie kümmern muss. So etwas darf nicht sein…
Da das Vormundschaftsgericht bisher keine Entscheidung gefällt hat, behindert es alles was den weiteren Tagesablauf betrifft. Der Druck der Hausgemeinschaft wächst, ich suche nach einer alternativen Wohnung. Aber bisher kann ich eh nichts entscheiden, weil mir einfach die Handhabe fehlt. So vergeht die Zeit und ich werde weiterhin aus dem Koffer leben und auf meine eigene Privatsphäre verzichten. Und täglich grüßt eine neue Krise…
Bald ist Weihnachten, nur mir ist dieses Jahr einfach nicht danach. Ich muss erst einmal versuchen, mein Leben und das meiner Mutter so zu organisieren, dass ich allen gerecht werden kann. Allen, dies sind auch meine Arbeitskollegen, die wirklich momentan unheimlich rücksichtsvoll sind. Aber wie lange wird das noch anhalten? Sicher wird der eine oder andere hinter vorgehaltener Hand schon seinen Spruch abgelassen haben.
… und dann ist da noch diese Unsicherheit, wie es weitergeht. Kauft uns nun Remondis, oder nicht. Was ist, wenn das Kartellamt kein grünes Licht gibt? Ich habe wirklich keinen Bock mehr, schon wieder einen neuen Arbeitgeber zu suchen. Dies alles sorgt mit dafür, dass ich mir manchmal wünschte, Abends schlafen zu gehen und nicht mehr aufzuwachen. Aber dann sage ich mir immer, sei nicht so egoistisch, was wird dann aus deiner Mutter? Außerdem hast du noch was vor im Leben, so einfach verpissen, das geht nicht. Das kommt einer Fahnenflucht gleich. Also, Kraft sammeln und Stark bleiben für eine ungewisse Zukunft…