Heute
ist also Vatertag und da ich ein braver Sohn bin, habe ich auch meinem
Vater angerufen. Der lebt in Berlin und ihm geht es gesundheitlich nicht
wirklich gut. Wenn Eltern älter werden, dann wird das auch für die
Kinder schon zu einem Problem. Mein Vater hatte einen Schlaganfall und
kann seit dem nicht mehr ohne fremde Hilfe aus den Haus. Dabei wird er
gerade einmal 72, was wirklich noch kein Alter ist. Aber für ihn ist das
Leben zu einer Qual geworden, in unserem Gespräch drehte sich fast
alles nur um seine Arzttermine und seine Krankheiten.
Das
ich überhaupt mit meinem Vater telefoniere kann, ist schon ein kleines
Wunder, denn ich hatte bis 2004 keinen Kontakt mehr zu ihm. Meine Eltern
trennten sich, als ich drei Jahre alt war und danach brach der Kontakt
ab. Wir siedelten 1976 aus der ehemaligen DDR über und er lebte irgendwo
in Berlin. Das war das einzige, was ich wusste. Bis er eines Tages vor
meiner Tür stand und sagte, ich bin dein Vater. Nach über dreißig Jahren
ein Wiedersehen, dass war schon heftig. Danach habe ich jede
Gelegenheit genutzt, um ihn in Berlin zu besuchen, aber nach der
Insolvenz meines alten Arbeitgebers, meinen Umzug in den Westerwald,
sind meine Besuche eingeschlafen. Wir telefonieren zu den wichtigen
Terminen, wie Weihnachten, Ostern, Geburtstage und so, aber sein Bitten,
wieder einmal nach Berlin zu kommen, kam ich bisher nicht nach. Es
fehlte letztendlich am nötigen Kleingeld und an Zeit. Aber ich habe auch
Angst davor, einen alten gebrochenen Mann gegenübertreten zu müssen.
Wäre da nicht seine Frau, die alles für organisiert, ihm zur Hand geht,
müßte er in ein Pflegeheim. Davor hat er Angst, davor habe ich Angst.
Aber letztendlich könnte mir das auch alles egal sein, er hat sich
schließlich 31 Jahre nicht um mich gekümmert, ich bin ohne ihn
aufgewachsen und stand als Kind immer außen vor, wenn die anderen Kinder
von ihren Wochenenden mit ihren Väter sprachen. Trotz allem tut er mir
leid, er der wie ich in der Entsorgung tätig war und Tag ein, Tag aus,
seinen Schichtdienst fuhr und am Ende bekommt er ein kleinen Rente für
seine lebenslange Schufterei, die ihm gerade einmal ermöglicht, all das
zu bestreiten, was man im Leben so braucht. Für Extra ist da keine
Spielraum mehr. Altersarmut nennt man das heutzutage und keiner
interessiert sich dafür. Du kannst dein Leben lang malochen und unterm
Strich hast du nix erwirtschaftet. Aber unser Staat schmeißt das Geld
mit vollen Händen raus, um marode Länder am Kacken zu halten, nur damit
die uns einen Vogel zeigen können und sich über uns lustig machen.
Darauf habe ich echt keinen Bock mehr, aber man wird leider nix daran
ändern können. Zu sehr ist die Weltwirtschaft miteinander verbunden, so
dass wir uns eigentlich keine Staatspleite eines EU-Landes wünschen
dürfen und vor allem leisten können. Unsere Urenkel werden noch für die
politischen Fehler bezahlen, dass steht fest.
Manchmal
komme ich mir wie in der ehemaligen DDR vor, wo Schlange stehen und
sich in Geduld üben zum Alltag gehörten. So erging es mir gestern, als
ich an der Tankstelle Sprit für 1,57 € angeschlagen sah. Die Anzahl
der Wartenden war nicht ohne, ich habe fast eine Stunde in der Reihe
gestanden, bis ich endlich an die Zapfsäule gerollt bin. Für den Sprit,
den ich in der Zeit durchgejagt habe, hätte ich auch woanders tanken
können. Nur man wird erst hinterher klug …
Bei
uns in der Nachbarschaft, dort wo ich eigentlich meinen Wagen abstelle,
hat gestern ein neuen Laden eröffnet. Er übernahm die Räumlichkeiten
des aufgegebenen Aldi-Marktes und trägt nun den Namen eines ehemaligen
Pay-TV Senders und einer Sportmarke für Schwimmsachen. Der Laden wird
unter türkischer Leitung geführt und gestern am Eröffnungstag waren jede
Menge unserer ausländischen Mitbürger dort zu sehen. An Parken war
nicht einmal annähernd zu denken. Als ich dann heute wieder dorthin kam,
sahen die Parkplätze aus, als habe dort ein Volksfest stattgefunden.
Überall Glasscherben und Müll. Das Ergebnis einer grandiosen Eröffnung.
Dann also auf eine gute Nachbarschaft…!
In diesem Sinne eine schöne Restwoche und allen, die morgen Brücke machen, einen schönen freien Tag.
Mein Vater