Ab
Montag kehrt wieder Normalität in mein Leben ein. Ich gehe nach knapp
2,5 Wochen Krankenschein wieder arbeiten und bin mir jetzt schon sicher,
dass es den einen oder anderen dummen Spruch geben wird. Das ist
normal, darauf bin ich vorbereitet. Wer wie ich austeilen kann, der muss
auch einstecken lernen. Aber ich hatte in den Tagen im Krankenhaus und
in den Wartezimmer der Ärzte viel Zeit zum nachdenken. Erst einmal
darüber, was mein Arzt mir damit sagte wollte, „ich solle diesen
Harnröhrenstein und die Infektion als eine Art Warnsignal sehen.“ Er
wollte mir damit verdeutlich, dass es nun langsam an der Zeit ist, in
meinem Leben
etwas zu ändern. Man wird schließlich nicht jünger und was man früher
mit einem Grinsen locker weggesteckt hat, kann einen heute schon mal für
ein paar Tagen von den Beinen holen. Dies wird sicherlich auch mein
Kollege Olaf bestätigen, dessen Arzt ihm in etwa dasselbe gesagt haben
wird.
Mein
Arzt hat mir aber auch gesteckt, dass ich mehr auf die Signale in
meinem Körper hören sollte. Bisher hat die Krankenkasse – egal welche –
immer gut an mir verdient, denn ich bin jemand, der lieber ein paar
rezeptfreie Mittelchen einnimmt, als sich in das Wartezimmer eines
Arztes zu begeben. Und wenn ich ehrlich bin, wären die Schmerzen und der
Druck nicht zu groß gewesen, ich wäre auch mit meinem Stein und meiner
Harnröhrenverengung nicht zum Doktor gegangen. Aber wenn es selbst bei
mir nicht mehr geht, dann muss auch ich irgendwann einmal einsehen, dass
kein Weg an einem Arztbesuch vorbeiführt. Das gilt auch für meine
Zahnarztbesuche. Immer schön auf die lange Bank schieben und am Ende ist
der Katzenjammer größer, als wenn man regelmäßig zur Vorsorge gegangen
wäre. Dabei möchte ich doch in den Augen nicht als „Abseiler“ gelten,
der jede Gelegenheit nutzt, um sich zu verdrücken. Solche Abseiler gab
es bei der Bundeswehr zur Genüge und der eine oder andere hat bestimmt
das goldene Seil für die meisten Verpissaktion erhalten. Gerade der
Montag war ja immer sehr beliebt …
Jedenfalls
muss sich was ändern, darin sind sich mein Arzt, mein Kumpel, meine
Familie und ich einig. Heute die Infektion, morgen der Herzinfarkt. So
versuchte es mir jedenfalls der Arzt zu verkaufen und ich habe
verstanden. Ich kann nicht mehr Raubbau mit meiner Gesundheit treiben,
brauche zum meinem Job einen Ausgleich und wenn den ich nicht bekomme,
dann muss ich mir vielleicht auch mal Gedanken darüber machen, ob
zwanzig Jahren in der Disposition nicht wirklich genug sind. Aber so
eine Enscheidung treffe ich nicht mehr aus dem Bauch heraus, sondern
soetwas muss gut abgewogen werden. Spontaneität hin oder her, so einfach
wirft man einen guten Job nicht mehr weg. Allerdings und das wundert
mich selber, benötige ich im Vergleich zu früheren Jahren viel länger,
um mich zu regenerien. Zu TVE Zeiten haben mich Arbeitszeiten von
morgens bis abends, zwölf Stunden und länger nur ein müdes Lächeln
gekostet, denn ich hatte im Vergleich zu jetzt, immer noch die Zeit
mir meine Auszeit zu nehmen. Das ging allerdings auch nur, weil ich
unter der Firma gewohnt habe. Warten wir es also ab, was sich in
nächster Zeit alles so entwickelt und wie ich mich weiter entscheide.
Das
selbst Kinder schon ausgebrannt sein können, hat der Sohn von meinem
Kumpel in Österreich bewiesen. Vier Tage in der Woche Training beim
Fußballverein, dann noch Training für seinen Triathlon und bis
nachmittags Unterricht mit reichlich Hausaufgaben. Nach dem Kreuzbandriß
hat er sich wieder mühsam an seine Mannschaftkameraden
herangekämpft, allerdings auch auf Kosten seiner Gesundheit und seiner
schullischen Leistungen. Mein Kumpel hat nun die Notbremse gezogen, Leon
soll noch einwenig Kind bleiben dürfen und nicht schon als
zwölfjähriger einen Terminkalender haben, wie mancher Geschäftsmann. Da
sich der Junge selber nicht entscheiden konnte, auf welche Sportart er
verzichten kann, haben die Eltern für ihn entschieden. Die vier
Trainingseinheiten in seinem Fußballverein finden nun ohne Leon statt.
Wenn er wieder Fußballspielen will, kann er in einem kleinen Verein in
der Nachbarschaft zum Training kommen. Dort wird nur zweimal in der
Woche trainiert und auch nicht jedes Wochenende gespielt. Außerdem sieht
der Trainer es locker, kennt er den Leon doch von diversen Spielen
gegen dessen alten Verein und weiß daher genau, was er da in seine
Reihen bekommt. Noch kann das Leon nicht einsehen, dass der Traum vom
Fußballprofi auf Kosten einer vernünftigen Ausbildung und guten
Abschluss ausgeträumt sein soll. Aber das Schulpensum wird Zukunft auch
nicht weniger werden und irgendwann wird schon verstehen, dass seine
Eltern nur sein Bestes wollen und ihn nicht bestrafen. Außerdem wer sagt
eigentlich, dass er das Zeug zum Profi hat? Er ist intelligent, kann es
in seinem Leben weit bringen und die Luft als Fußballprofi kann sehr
schnell sehr dünn werden. Und dann ohne vernünftige Ausbildung dastehen,
nur weil er als Kind einem Traum hinterher gehechelt ist. Ich denke,
seine Eltern haben die richtige Entscheidung getroffen …
Aber
wie sagte mein Kumpel immer: Leon kommt jetzt in die Pubertät – eine
schwierige Phase und hoffentlich kommen wir da gemeinsam gut wieder
raus.
Ich
lese jeden Tag meine Zeitung. Doch in den letzten Tagen aufmerksamer,
denn ich habe etwas gesehen und wenn ich davon in
der Zeitung einen Artikel lese, der mit meinen Beobachtungen im
Zusammenhang gebracht werden könnte , würde ich mich als Zeuge zur
Verfügung stellen.
Wir
waren nach einem Arztbesuch im Hannibal-Center Mittagessen gewesen. Wir
saßen auf der Terasse und ich hatte von dort einen guten Blick über den
Parkplatz. Ich habe es ja mal erwähnt, ich beobachte gerne Menschen und
versuche sie zu analysieren. Dabei ist mir ein Erwachsener mit einem
Kind aufgefallen, die über den Parkplatz gelaufen kamen. Eigentlich nix
besonderes, aber der Mann verhielt sich irgendwie ungewöhnlich
auffällig. So oft wie er mit seiner Hand im Gesicht des Jungen, über
seinen Rücken und sein Haar streichelte, war in meinen Augen nicht
normal. Finde ich jedenfalls. Der Junge lief ruhig neben ihn her und
machte auch keine Anzeichen, als wären ihm diese Streicheleinheiten
irgendwie unangenehm.
Nachdem
wir gezahlt und runter zum Real-Mark gegangen sind, um dort beim Bäcker
noch Brot zu kaufen, kam mir dieser Mann mit dem Jungen – vielleicht
acht Jahre alt – wieder entgegen. Unsere Blicke trafen sich – der
Mann machte in diesem Moment den Eindruck, als habe er etwas zu
verbergen. In der halben Minute, wo er mit dem Jungen unseren Weg
kreuzte und sich dem Ausgang näherte, tatschte er dem Kind – mit einem
Brötchen in der Hand beschäftigt – mehrfach wieder im Gesicht und auf
dem Kopf herum, so als könne er es nicht erwarten, mit dem Kind mehr zu
machen. Ich gebe ehrlich zu, vielleicht sehe ich ja Gespenster und der
Mann war ein Vater, der nur alle vierzehn Tage sein Kind besuchen darf
und hat nun unheimlichen Nachholbedarf gehabt, aber es war trotzdem
irgendwie nicht normal. Leider hatte ich nicht die Zeit gehabt, um
diesem Duo zu folgen … Ich will mich damit nicht rausreden, keine
Zivilcourage besessen zu haben, in dem ich mangelnde Zeit vorschiebe,
aber letztendlich habe ich dann doch ein schlechtes Gewissen bekommen,
denn wenn da jemand in Not gewesen wäre, hätte ich geholfen? Was nutzt
es mir, wenn ich Blutspender bin, verschiedene Organisation die sich mit
notleidenden Kinder befassen unterstütze, wenn ich nicht im Kleinen
helfen kann. Aber wurde meine Hilfe benötigt? Der Kleine jedenfalls
machte nicht den Eindruck, als wenn er Schutz suchte. Zu sehr war er mit
seinem Brötchen beschäftigt. Aber merkwürdig bleibt diese
Begegnung trotzdem.
Ach
ja, in der Zeitung stand auch nix, dass irgendwie ein Kind abgängig ist
und daher gehe ich mal davon aus, dass nischt passiert ist. Aber durch
die vielen Verbrechen an Kindern ist man doch inzwischen sensibelisiert
und man schaut lieber noch einmal genauer hin, als weg.
Damit
will ich meine Ausführungen für diese Woche schließen, eine Woche die
für viele Familien in Belgien und in den Niederlanden Tränen, Leid und
Schmerzen gebracht hat und gezeigt hat, dass ein Land, trotz seiner
Gegensätze, verschiedener Sprachen in der Stunde des größten Schmerzes
wie ein Mann zusammensteht. In der Trauer sind sie alle vereint und es
gab sicherlich viele, am Bildschirm und beim Blick in die Zeitung,
die beim Anblick von 22 Kindersärgen einen Kloß im Hals hatten. Mir
jedenfalls erging es so und ich stehe auch dazu. Für die
Familie, Verletzten, Angehörigen wird so schnell nicht wieder Normalität
– die ich oben Eingangs angeführt habe – einkehren. Schön ist es dann
aber auch von kleinen Wundern zu lesen – hier steht stellvertretenden
Luca van Asten – der vorne in der Todeszone des Busses gesessen hatte
und mit schweren Verletzungen davon kam, während sein Freund neben ihm
und seine Freundin starben. Die Eltern sind hingerissen zwischen
Glückgefühl, Sorge und Trauer. Sie können aber nicht breit feixend durch
den Ort laufen, in dem sechszehn Kinder nicht mehr nach Hause kamen.
Und wie wird der Junge damit fertig werden? Ständig wird er sich die
Frage stellen, warum er überlebt hat und die Kinder rings um ihn herum
nicht? Und da wird diesmal in einem Kommentar von Peter Hahne Gott
herangezogen, in dem er die Frage stellt, wo der Herrscher über Leben
und Tod gewesen ist, als der Bus gegen die Mauer knalllte. Billig, auf
Kosten und dem Leid anderer sein Buch, was zufällig morgen in den Handel
kommt und sich mit dem Thema Gott befasst, promoten zu wollen.
Aber ehrlich, würden wir anders handeln, wenn man uns die Gelegenheit
gibt? Ich glaube nicht.
In diesem Sinne bleiben oder werden sie gesund und haben sie eine schöne Zeit.
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