„Das
Leben geht weiter, andere Menschen haben auch schwere
Schicksalsschläge, die Zeit heilt alle Wunden.“ Solche und andere
abgedroschene Phrasen wird man in den nächsten Tagen hören und ein Teil
von diesen Aussagen stimmt auch. Ja, das Leben wir immer weitergehen,
aber wie? Ein Platz am Tisch bleibt leer, ein Kind, dass schwerverletzt
wurde muss nun langwierig lernen, wie ins Leben zurückkommen. Und dann
die Fragen: Warum mein Kind? Was haben wir getan, wieso saß mein Kind in
diesem Bus und nicht in einem anderen? Warum musste es vorne sitzen und
nicht hinten, wie die anderen Überlebenden. Sie werden auf ihre Fragen
keine Antworten finden. Nicht heute, nicht in den nächsten Tagen,
wahrscheinlich sogar nie.

Ein
Land rückt näher zusammen, die Belgier traunern und auch sind die
Menschen, die vor die Kamera treten geschockt, betroffen. Warum? Auf der
Welt sterben täglich jede Menge Kinder durch Kriege, durch Hunger,
durch Mord. Aber warum sind wir hier besonders geschockt? Afrika, Syrien
ist weit, Belgien und Schweiz sind unsere Nachbarn. Und wenn dann den
uns unbekannten Opfern auch noch Bilder zugeordnet werden, wir plötzlich
erkennen, es könnte auch jemand aus unserem Freundeskreis, aus unser
Mitte sein, trifft es den Menschen, noch mehr.

Wie
sagte eine Mutter im Interview: Seit dem sie von dem Unfall gehört
haben, hat sie ein kleines Gespenst an ihrer Seite. Ihr Sohn spricht
nicht mehr, die Bilder haben ihn traumatisiert. Freunde waren unter
den Opfern. Es sind ja nicht nur die Verwandten, Eltern und Geschwister
betroffen, nein auch die Mitschüler, Freunde, Nachbarn. Gerade in
kleinen Gemeinden kennt jeder jeden. Und der Tod eines Erwachsenen nach
ein Unfall ist schon schlimm, der eines Kindes ist eine Tragödie.

Sie
werden lernen müssen, wie alle die einen geliebten Menschen verloren
haben, mit dem Verlust und dem Schmerz zu leben. Aber sie werden auch
mit den Bildern leben müssen, die ihnen wahrscheinlich nie mehr aus dem
Kopf gehen werden – ihre toten Kinder, durch den Unfall entstellt, die
sie identifizieren mussten. Wäre es doch bessser gewesen, sie hätten ihr
Kind so in Erinnerung behalten können, wie es von ihnen wegging.
Fröhlich, mit freudigen Erwartungen auf die Skifreizeit.

Wie
schrieb ein Kind in dem Schulblog: Es ist so, als wären hier viele
Diamanten. Der Schnee mag wie Diamanten geglitztert haben und ich will
mich den Worten von Wagner aus der Bild anschließen: Vielleicht ist es
nun dort, wo das Kind jetzt ist, auch wunderschön und voller Diamanten.
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Der
korrekte Lauf der Welt wäre, wenn Kinder ihre Eltern zu Grabe tragen
und nicht umgekehrt. Gestern Abend verunglückte in der Schweiz ein
Reisebus mit 48 Kindern und Begleitpersonen auf dem Rückweg von der
Skifreizeit in der Schweiz nach Hause. Bei diesem Unfall starben 22
Kinder, 4 Erzieher und die beiden Busfahrer. Viele Verletzte wurden in
die umliegenden Krankenhäuser gebracht, wo Ärzte um ihr Leben kämpfen.
Und wieder stellt sich die Frage: Menschliches Versagen, waren die
Fahrer übermüdet, erlitt der aktuelle Fahrer einen Herzinfarkt,
Materialermüdung der Reifen oder mangelnde Wartung des rechten neuen
Reisebusses. Egal, was die Ursache war, es bringt die 22 Kinder und
sechs Erwachsenen nicht zurück.

In
einem Blog haben die Kinder während ihrer Skifreizeit über ihre Träume,
Erlebnisse, Heimweh und ihren Spaß geschrieben. Nun bleibt dieser Blog
als Erinnerung an schöne Tage auf der Homepage zurück.

Eine
komplette Generation einer kleinen Gemeinde ausgelöscht, 22 jungen
Leben, die nur 12 Jahre oder jünger werden durften, erloschen wie die
Kerze im Wind. Zurückbleiben verwaiste Eltern, traumatisierte
Überlebende, trauernde Geschwister, ein Staat und eine Gemeinde unter
Schock, viele verwaiste Kinderzimmer. Selbst hartgesottene Reporter,
Ärzte und Pfleger kämpfen mit den Tränen bei diesen Bildern, bei dieser
Nachricht.

Was
waren ihre letzten Gedanken vor dem Tod? Haben sie sich auf daheim,
ihre Eltern gefreut, zehrten sie noch von ihrem Skiurlaub, von der
Freude, von dem Erlebten, schliefen sie in ihren Sitzen, als der Tod sie
holte. Viele Fragen – keine Antworten.

Am
Pranger stehen wie so oft der Busbetreiber, die Disponenten. Aber wie
sieht es ihnen aus? Sie werden mit dem Schuldgefühl leben müssen, ein
Bus auf die Reise geschickt zu haben, der entweder nicht mehr den
technischen Anforderungen entsprach, oder Fahrer, die einfach unter
gewaltigen Zeitdruck standen. Die Antwort hierfür werden die
Untersuchungen bringen, aber trotzdem bringen alle Ergebnisse nicht die
Menschen zurück, die bei diesem sinnlosen Unfall ihr Leben verloren
haben.

Meine
Gedanken sind bei den Hinterbliebenden. Mögen sie die Kraft finden, mit
diesen Schicksalschläge zurecht zu kommen und nicht daran zerbrechen,
wie viele vor ihnen.