Im
Krankenhaus sagt man niemals „Auf Wiedersehen.“ Dies hat mein
Bettnachbar für uns entschieden, als wir uns verabschiedeten. Ein
einfaches „… und Tschüss“, eine kurze und innige Umarmung und schon
war er durch die Tür zum Röntgen. Wie hatte er vorher noch gesagt: „Wir
werden uns wahrscheinlich niemals wiedersehen und trotzdem war es ein
schöne Zeit mit Dir. Du bist ein töfter Kumpel gewesen.“ Ich gebe dieses
Kompliement gerne zurück, denn auch wenn unsere erste gemeinsame Nacht
sehr unruhig war und er die Nachtschwester durch seine nächstlichen
Ausflügen schier zur Verzweiflung brachte, wir haben danach viele lange
Gespräche geführt und er bewies trotz seiner Schicksalschläge unheimlich
viel Lebenmut. Vor fünf Jahren wurde ein Gehirntumor bei ihm
festgestellt, er musste viele Dinge neu erlernen und nun gab es wieder
eine schwere OP und trotzdem meinte er stetig: „Alles wird gut.“

Ja,
alles wird gut, so hat er es mir am Sonntag noch gesagt, als ich
bereits für die bevorstehende OP vorbereitet wurde. Ich hatte Angst und
diese Angst konnte auch nicht die Beruhigungstablette nehmen, die ich am
Abend vor der OP bekommen habe. Diese Ungewissheit, diese Furcht vor
der OP und der Narkose spiegelte sich dann auch in einem extrem
ungewöhnlich hohen Blutdruck wider. Sie blieb bis zu dem Zeitpunkt, wo
es runter in den OP ging, ich unten vorbeitet wurde und ich der
Anästhesistin meinte Angst gestand. „Keine Sorge, ich bin bei Ihnen und
sie werden gleich schön schlafen.“ Dann kletterte ich noch auf den
Gynäkologenstuhl, bekam mein Narkosemittel und später hörte ich nur noch
Stimmen im Unterbewußtsein und dachte, Mist, die Narkose hat nicht
gewirkt und du bekommst alles mit. Dabei war ich bereits im Aufwachraum
und wurde langsam in die Wirklichkeit zurückgeholt. Als ich auf die
Station zurückgebracht wurde, erhielt ich von der Krankenschwester ein
kleines Röhrchen in die Hand gedrückt. Ich schaute mir den Inhalt des
Gefäßes genauer an und fühlte mich in meinen Vermutungen bestätigt. Die
ganze Zeit über sprach ich von einem Nierenstein, kam mir dabei schon
wie der einsame Rufer in der Wüste vor, denn keiner wollte mir glauben.
Weder mein Urologe, der ein sehr guter Arzt sein mag und trotzdem den
kleinen Störenfried nicht in der Harnröhre orten konnte, noch der
aufnehmende Arzt in der Ambulanz der Urologie, der gleich von einer
Verengung der Harnröhre sprach und damit dem Ergebnis meines
behandelnden Arztes bestätigte. Also musste geschnitten werden und ich
bin noch immer der Meinung, es wäre niemals so eine OP nötig gewesen.
Ich habe zwar eine Infektion der Harnröhre und die muss noch mehre Tage
behandelt werden, aber ich hatte noch nie Probleme mit einer
Harnröhrenverengung.

Kommt
die Verengung von der Infektion oder gab es einen Unfall, rätselte der
behandelnde Arzt und zog sogar mein Training auf dem Ergometer als
Ursache heran. Ein genaues Ergebnis wird nun die Untersuchung des
Nierensteines bringen. Er hatte eine beachtliche Größe von 12 mm und das
er sich so unbemerkt durch die Harnröhre bewegen konnte, war schon
überraschend. Am Dienstag weiß ich mehr und ich hoffe, auch dann zu
wissen, woher die Infektion kommt. Was war der Auslöser? Als erstes wird
natürlich eine unsaubere Toilette herangezogen, aber die findet man
überall, wo viele Menschen sich ein Klo teilen müssen. Oder war die
Infektion nur ein Warnsignal des Körpers, so wie es mir der Arzt
erklären wollte. Viele Dinge sind in den letzten Monaten geschehen, die
mein Lebenswandel entscheidend beeinflußten. Der Kautionsstreit mit
meinem ehemaligen Vermieter, mein Job, die ungesunde Ernährung, weil
ich meinen Kühlschrank als Freund wiederentdeckt habe und der viele
Ärger, der meinen Umzug begleitet. Vielleicht aber auch meine
Unzufriedenheit, mein Streß mit den Nachbarn, in deren Augen ich
ja rechtsradikal angehaucht bin und viele andere Kleinigkeiten, die mich
beschäftigen. Der Nierenstein war also ein Schuß vor dem Bug gewesen.
Es war ein kleiner Dämpfer zur rechten Zeit. Dies sieht übrigens auch
mein Bettnachbar Jürgen so und mein Arzt hat mir schon einmal
vorsichtshalber eine Überweisung zum Hausarzt ausgestellt, denn meine
Blutwerte sind „unter aller Sau“, was allerdings auf die Entzündung in
meinen Körper zurückzuführen ist.

Der
Krankenhausaufenthalt bestand ansonsten aus Warten, Schlafen,
Langeweile. Die Schwestern auf der Station U42 war alle durch die Bank
nett und stets bemüht, für ihre Patienten das Beste zu geben. Das Essen
war auch in Ordnung, reichhaltig. Morgens um viertel vor Sieben wurde
man aus dem Bett gekegelt, dann kam das „Räumkommando“ und hat die
Betten gemacht, Fieber gemessen und um halb acht standen schon die Ärzte
für die Visite im Zimmer. Danach Frühstück und wenn man keine
Behandlungen hatte, konnte der Tag lang werden. Wenn man viel am Tag
schläft, kann man in der Nacht verständlicher Weise kein Auge zu
machen und aus diesem Grund haben Jürgen und ich bei der Nachtschwester
uns unser Drogencocktail zum Einschlafen bestellt. Schlafen mit
einem Urinbeutel, den man am Bett befestigte, ist auch eine Übungssache,
denn man hat ständig Angst, wenn man sich auf die andere Seite
umdreht, sich den Katheder herauszureißen. Dies ist zwar eine
Einbildung, die man aber nicht aus dem Kopf bekommt.

Zwölf
Uhr Mittag gibt es Essen. Meistens mit Kaffee und Kuchen für den
Nachmittag. Dann heißt es wieder warten, Nickerchen machen und
irgendwann steht der Besuch im Zimmer und es kommt für ein paar Stunden
Abwechslung in die Bude. Zwischen fünf und sechs kommt das Abendessen
und ab 21:00 Uhr beginnt der Kampf um das Bad. Sechs Personen teilen
sich einen Waschraum. Morgens und Abends gibt es Stau und man gewöhnt
sich daran, entweder bereits ganz früh morgens vor dem Räumkommando und
abends nach 22:00 das Bad zu benutzen oder man steht halt ständig vor
verschlossener Tür. Sitzt man dann im Bad, gibt es immer wieder den
einen oder anderen, der das Bedürfnis verspürt, genau in diesem Moment
auch auf die Toilette zu wollen. Wie schön ist es dann doch Zuhause auf
dem eigenen stillen Örtchen.

Heute
Morgen war dann „Check Out“ angesagt. Bereits um kurz nach sieben
musste ich mein Bett und Schrank räumen, denn keine halbe Stunde später
lag bereits mein Nachfolger im Zimmer, während ich wie doof bis um halb
zehn auf meine Entlasspapiere warten musste. War schon eine komische
Situation – für alle Beteiligten.

Ja,
und dann denkst du, es ist alles vorbei, du bist gesund, dann liest du
deinen Arztbrief und stellst fest, du bist nur zur Weiterbehandlung
durch den eigenen Arzt entlassen worden, weil sie dein Bett im
Krankenhaus brauchten. Und der muss nun die Ergebnisse der
Nierensteinuntersuchung abwarten und dann sehen wir weiter.

Ein
paar Souveniere habe ich mir aus dem Augusta-Krankenhaus mitgebracht.
Der Handrücken der linken Hand ist blau-grün durch die
zahlreichen Einstichversuche der angehenden Narkoseärzte, die rechte
Hand sieht nicht besser aus. Tja und eine heftige Erkältung mit
Schüttelfrost und triefender Nase, die ich mir auf den zugigen Gängen
des Krankenhaues eingefangen habe, gehört auch zu den Mitbringseln, auf
die ich hätte verzichten können.

Ich
möchte aber an dieser Stelle auch nicht meinen lieben Kollegen Olaf
vergessen, der nun, während ich außer Gefecht gesetzt bin, die Stellung
in der Firma hält. Er musste meine Samstagsschicht übernehmen und macht
nun gemeinsam mit unserer lieben Kollegin Nadja den Dienst, den wir
sonst zu dritt gemacht haben. Wenn ich wieder fit bin, werde ich seine
Samstagsschicht übernehmen. Das ist Ehrensache!

Mit den Worten von Jürgen will ich diesen Eintrag nun schließen: „Alles wird gut!“

In diesem Sinne: Werden oder bleiben Sie gesund.