„Guten
Tag, wir möchten uns mit Ihnen über Gott unterhalten.“ Ich habe es
bereits geahnt, als es an der Tür klingelte, dass es sich bei diesem
Besuch nur um einen Vertreter oder Zeugen Jehovas handeln konnte.
Letzteres traf dann zu. Während sich die beiden Frauen, eine Ältere –
Mitte 40 – und ein junges Mädchen, vielleicht gerade süße sechszehn,
vorstellten, ärgerte ich mich bereits darüber, dass ich die Tür geöffnet
hatte. Ich stand mit meiner Jogginghose im Flur, ein Spültuch übern
Arm, weil ich die letzten Sachen aus der Spülmaschine abtrocknen wollte,
bevor es dann für die nächsten Tagen zu meiner Mutter und am Sonntag
dann zurück in die Klinik ging. „Haben sie einen Moment Zeit?“ Das
Mädchen war diejenige, die mich mit ihrem entwaffnen Charme in die
Defensive drängte. In der Regel reagiere ich ja auf diese „Missionare“
sehr ärgerlich, sehe jedes Gespräch als Zeitverschwendung an, aber
dieser Glanz, diese Ausstrahlung der Wortführerin sorgte dafür, dass
ich für meine Verhältnisse äußerst freundlich reagierte und ich mich im
Stillen bereits fragte, was die Eltern diesem Mädchen antaten, wenn sie
sie auf die Straße zum Türklinkenputzen schickten. Nichts anderes waren
ihre Besuche. Es erinnerte mich auch an die letzte Begegung mit den
Zeugen Jehovas, in der im strömenden Regen ein Mann und sein Kind an
meiner Tür standen und sie schon nass bis auf die Haut waren und sich
sicherlich nichts sehnlichstes wünschten, als in Trockene zu gelangen.
Ich verwehrte damals den Zutritt, genauso wie dieses Mal auch, obwohl
ich damals auch ein schlechtes Gewissen hatte. Nicht wegen dem Mann,
sondern wegen dem frierenden Kind in seiner Begleitung. „Ich habe
leider keine Zeit, mich mit ihnen über Gott zu unterhalten.“ In der
Regel musste man diesen Personen die Tür wortlos vor der Nase
zuknallen, denn wenn man mit ihnen ein Gespräch begann, dann hatte man
bereits verloren. Aber so unhöflich wollte ich nicht sein, vielleicht
lag es wirklich nur an diesem Teenager, die mit ihren Lächeln Herzen
schmelzen und Tresortüren öffnen konnte.
„Glauben
sie nicht an Gott?“ wollte das Mädchen wissen, während sich ihre
Begleiterin sehr im Hintergrund verhielt und mich anscheinend sehr genau
beobachtete. Ich schüttelte den Kopf und mit fragenden Augen entwich
dem Teenager ein „Warum?“
„Ich
möchte nicht darüber reden.“ Freundlich bleiben. Ich habe meine Gründe,
nicht an den Herren über Himmel und Erde zu glauben. Wollte man mich
doch bereits in der Klinik freundlich in ein Gespräch über Gott und die
Welt verwickeln. Da war es die evangelische Kirche, die
ihren ehrenamtlichen Mitarbeiter von Zimmer zu Zimmer schickte und der
auf eine freundliche Art und Weise signalisierte, ich habe Zeit für euch
und euere Belange. Wäre ich nicht auf Urlaub aus dem Krankenhaus
entlassen worden, ich hätte mich vielleicht auf ein Gespräch
eingelassen, allein schon aus Langeweile. Denn in der Klinik hat man
eines ausreichend – Zeit zum Nachdenken. Aber ich stand mit der Tasche
bereits fast im Gang und das merkte er. Freundlich wünschte er mir alles
Gute und schon war ich an ihm vorbei. Und nun standen diese beiden
Frauen vor mir. Ein Zeichen? Jahrelang hat sich Gott für mich nicht
interessiert und ich mich nicht für ihn und dann an einem Tag gleich
zweimal? Ich glaube nicht an Zufälle und auch nicht an Bestimmungen. Ich
lege auch mein Leben nicht in Gottes Hände, denn auch wenn es ein
übergeordnetes Wesen geben mag, warum sollte es sich gleichzeitig um
alle ca. 8 Milliarden Menschen auf dieser Erde kümmern können. Das geht
nicht und das ist mir auch klar. Soll jeder an das Glauben, an was er
will. Ein freundlicher Chinese meinte einmal, ich sehe aus wie ein
kleiner Budda und grienste dabei schelmisch. Buddismus, vielleicht
sollte ich mich einmal mit dieser Religion auseinander setzen, aber
sicherlich nicht Jehova und seinen Zeugen. Das Mädchen auf dem
Treppenabsatz in unserem Flur merkte schnell, dass sie bei mir keinen
Erfolg haben würde. Sie wünschte mir ein schönes Wochenende und schon
zog sie mit ihrer älteren Begleiterin davon. Sie war erfreulicher Weise
nicht so aufdringlich wie ihre Mitbrüder und Schwestern und insgeheim
wünschte ich ihr, dass sie jemanden finden würde, der sie raus aus ihrem
Glauben in die Schönheit dieser Welt führt. Weg von dem Irrsinn, keinen
Geburtstag zu feiern, kein Weihnachten und kein fremdes Blut
anzunehmen. Weg von dem Glauben, dass es hinter dem Regenbogen ein Land
gibt, in dem Jehova auf all seine Schäfchen wartet, die fleißig ihren
Wachturm in der Einkaufspassage verkauft haben und sein Namen in die
Welt herausgetragen haben. Aber dann sagte ich mir, dass dieser Glanz in
ihren Augen, ihr Strahlen und ihre Körpersprache sagten: Ich bin so
glücklich wie ich lebe und das kann ich der ganze Welt zeigen. Und ich
glaube es ihr …
Auch
ich gebe es ehrlich zu: Ich habe Angst vor der Narkose, vor der OP und
den Schmerzen. Aber wie sagt mein Bettnachbar: Immer nach vorne schauen
und der weiß ja bekanntlich, von was er spricht …
Ich will diesen Eintrag mit den Worten von Hape Kerkeling beenden: „Ich bin dann mal wech …“